Beim Master BWL handelt es sich um einen berufsqualifizierenden Abschluss, so dass der hohe Schutz- und Förderanspruch durch Erlangung des ersten berufsqualifizierenden Hochschulabschlusses nicht verbraucht ist. Erst der Abschluss des konsekutiven Masterstudiums eröffnet den Zugang zu wissenschaftlich ausgerichteten betriebswirtschaftlichen Berufen. Für die mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG zu stellenden Anforderungen an eine Einschränkung der Freiheit der Berufswahl macht es keinen Unterschied, ob die berufliche Qualifikation aufgrund eines einheitlichen Studiengangs mit einer Zwischenprüfung oder auf der Grundlage eines zweigeteilten Studiengangs mit einem Zwischenabschluss erworben wird. Die mit einer Kapazitätsbeschränkung verbundene Eingriffsintensität bleibt die gleiche.
OVG Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 2. Mai 2011
– 5 S 27.10 –
Vorhergehend: VG Potsdam, Beschluss vom 29. Juli 2010 (VG 1 L 160/10) fehlende gesetzliche Grundlage bzw. gesetzliche Grundlage nicht beachtet; an der Möglichkeit, nach Ermächtigung durch den Gesetzgeber eine Notengrenze festzusetzen, rüttelt das OVG nicht
Vorhergehend: VG Potsdam, Beschluss vom 29. Juli 2010 (VG 1 L 160/10) fehlende gesetzliche Grundlage bzw. gesetzliche Grundlage nicht beachtet; an der Möglichkeit, nach Ermächtigung durch den Gesetzgeber eine Notengrenze festzusetzen, rüttelt das OVG nicht
Gegenstand
Zulassung zum Masterstudium (BWL an der Uni Potsdam) trotz Unterschreitens der als Zugangsvoraussetzung geforderten Mindestgesamtnote im BA-Studium von besser als 2,5. Dieses Erfordernis sei mangels Rechtsgrundlage verfassungswidrig. Die Uni Potsdam sah sich durch § 13 Abs. 4 Satz 2 BbHG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Juli 2004) i.V.m. § 6 Abs. 2 der Verordnung über die Gestaltung von Prüfungsordnungen zur Gewährleistung der Gleichwertigkeit von Studium, Prüfungen und Abschlüssen (HSPV vom 7. Juni 2007) zur Festsetzung von Mindestgesamtnoten ermächtigt.
Aus dem Inhalt
§ Danach legten die Hochschulen in den Satzungen über die Zugangsvoraussetzung des ersten berufsqualifizierenden Hochschulabschlusses hinaus weitere besondere Zugangsvoraussetzungen zum Masterstudium fest. Von dieser Ermächtigung habe die Universität durch § 3 Abs. 1 Buchst. a Nr. 1 ZulO Gebrauch gemacht. Die darin festgelegte Mindestnote entspreche den ländergemeinsamen Strukturvorgaben gem. § 9 Abs. 2 HRG für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen im Beschluss der KMK vom 10. Oktober 2003 in der Fassung des Beschlusses vom 18. September 2009, wonach das Masterstudium von weiteren besonderen Zugangsvoraussetzungen abhängig gemacht werden solle. Die subjektive Berufswahlvoraussetzung diene der Sicherung der Qualität des Masterstudiums zum Zwecke der Akzeptanz der Masterabschlüsse durch den Arbeitsmarkt.
§ Das VG [hatte] dem Antrag im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, die Mindestnote in § 3 Abs. 1 Buchst. a Nr. 1 ZulO komme mangels Ermächtigungsgrundlage nicht zur Anwendung. Es handele sich weder um eine Zugangsvoraussetzung […] noch um eine kapazitäre Zulassungsvoraussetzung […]. Zwar könne eine Notenbegrenzung eine zulässige Zugangsbegrenzung darstellen, um die Qualität des Masterstudiums zu sichern. Das in Rede stehende Notenerfordernis diene aber offensichtlich nicht diesem Zweck, sondern einer unstatthaften kapazitätsabhängigen Zulassungsbegrenzung. Das belege § 3 Abs. 4 ZulO, wonach bei Nichtauslastung der Studienplätze die Notenbegrenzung aufgehoben werden könne. Somit werde die Note nicht zur Qualitätssicherung, sondern zur Kapazitätsbegrenzung genutzt. Eine Kapazitätsbeschränkung setze aber die Festsetzung einer Zulassungszahl voraus, woran es hier fehle.
§ Nach § 8 Abs. 6 Satz 2 BbgHG 2008 sollen freilich die Hochschulen über den Bachelorabschluss hinaus weitere besondere Zugangsvoraussetzungen für die Aufnahme des Masterstudiums festlegen. An einer solchen Festlegung weiterer Zugangsvoraussetzungen fehlt es indes.
§ 1. Unzweifelhaft bedarf die besondere Beschränkung des Zugangs zum Masterstudium in Form einer Mindestabschlussnote des vorangegangenen Bachelorstudiums einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Denn unabhängig von der Frage, ob es sich beim konsekutiven Masterstudiengang BWL um ein „Zweitstudium“ handelt, eröffnet nur der Master den Zugang zu betriebswirtschaftlichen Berufen wissenschaftlicher Ausrichtung, insbesondere zur Promotion und damit zur wissenschaftlichen Karriere an den Hochschulen. Er beschränkt somit den Berufszugang. Seine Einführung kann nicht dem autonomen Satzungsrecht der Hochschulen überlassen bleiben (vgl. Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin vom 4. März 2009 – 199/06 -, juris Rn. 58 ff., 60 [„allgemeine Masterstudiumsberechtigung“]).
§ Die hier inmitten stehende Zulassungsordnung BWL ist keine Prüfungsordnung im Sinne von § 13 Abs. 2 Satz 1 BbgHG 2004. Denn sie regelt, wie bereits ihre amtliche Überschrift erkennen lässt, die Zulassung zum konsekutiven Masterstudiengang Betriebswirtschaftslehre und nicht die Prüfung in diesem Studiengang. Prüfungsordnungen schreiben üblicherweise die Regelstudienzeit, die Prüfungsanforderungen und -verfahren vor (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 BbgHG 2004), nicht aber die „Zulassung“ zum fraglichen Studiengang.
§ Die Hochschulprüfungsverordnung taugt als Rechtsgrundlage einer notenmäßigen Begrenzung des Zugangs zum Masterstudium gleichwohl nicht, weil sie ihrerseits der notwendigen gesetzlichen Ermächtigung entbehrt.
§ Der Verweis auf die ländergemeinsamen Strukturvorgaben gem. § 9 Abs. 2 HRG für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen im Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10. Oktober 2003, wonach das Master-Studium von weiteren besonderen Zugangsvoraussetzungen abhängig gemacht werden soll, hilft schon deshalb nicht weiter, weil es sich dabei nicht um ein Gesetz, sondern um eine die Landesgesetzgeber nicht bindende „Strukturvorgabe“ auf Ministerebene handelt. Auch wenn die KMK in Ziffer 2.1 Satz 3 ihres Beschlusses weitere besondere Zugangsvoraussetzungen als Regelfall fordert (vgl. demgegenüber die Fassung vom 4. Februar 2010, wonach zur Qualitätssicherung oder aus Kapazitätsgründen für den Zugang oder die Zulassung zu Masterstudiengängen weitere Voraussetzungen bestimmt werden k ö n n e n ), sagt dies im Übrigen nichts über die Art der Rechtsgrundlage für solche Zugangsregelungen aus. Wegen der besonderen Bedeutung der Beschränkung des Zugangs zu berufsqualifizierenden Studiengängen im Hinblick auf die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) bedarf die betreffende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage einer ebenso besonderen Klarheit. Diese ist jedoch angesichts der allgemeinen Ermächtigung zum Erlass einer Verordnung zur Gestaltung von Prüfungsordnungen nicht gegeben.
§ 2. Da im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Zulassungsordnung am 9. August 2008 keine gesetzliche Grundlage für die Zugangsanforderungen in §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 3 ZulO bestand, sind diese Vorschriften der Zulassungsordnung nichtig. Ihr Inkraftsetzen bedarf einer erneuten Verkündung; der Gesetzesvorbehalt (Art. 20 Abs. 3 GG) schließt eine Heilung des Mangels grundsätzlich aus (vgl. Maunz/Dü-rig, GG, Rn. 26 zu Art. 80, Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Rn. 54 und 137 zu Art. 80, m.w.N.).
§ Davon abgesehen käme eine Heilung des Rechtsmangels allein durch ein nachträgliches Einfügen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage hier auch deshalb nicht in Betracht, weil – das hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt – die Regelungen in §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 3 ZulO von der gesetzlichen Ermächtigung in § 8 Abs. 6 Satz 2 BbgHG 2008 ohnehin nicht gedeckt wären. Danach sollen die Hochschulen in den Satzungen – neben dem gesetzlichen Zugangserfordernis eines ersten berufsqualifizierenden Hochschulabschlusses – weitere besondere Zugangsvoraussetzungen für die Studienaufnahme in den Masterstudiengängen festlegen.
§ Dabei kann auch an dieser Stelle die Frage offen bleiben, ob es sich bei dem Master BWL um einen „weiteren“ berufsqualifizierenden Hochschulabschluss im Sinne von § 8 Abs. 6 Satz 1 BbgHG 2008 handelt. Zugunsten der Antragsgegnerin unterstellt, es handele sich bei dem Master BWL um einen weiteren berufsqualifizierenden Studienabschluss und der Zugang zu diesem „Zweitstudium“ könnte von einer bestimmten Qualität des vorangegangenen Bachelorabschlusses abhängig gemacht werden, wäre eine solche Zugangsvoraussetzung in Ansehung der von der Verfassung garantierten Freiheit des Berufszugangs nur gerechtfertigt, um das von der KMK angestrebte hohe fachliche und wissenschaftliche Niveau des Masterstudiums „im Interesse der internationalen Reputation und der Akzeptanz der Masterabschlüsse durch den Arbeitsmarkt“ zu sichern (vgl. Ziffer 2.1 des Beschlusses vom 10. Oktober 2003), wohlgemerkt unter der Vorgabe, dass die Masterabschlüsse den herkömmlichen Diplom- und Magisterabschlüssen an Universitäten und gleichgestellten Hochschulen entsprechen sollen (vgl. Ziffer 8 des Beschlusses vom 10. Oktober 2003).
§ Davon abgesehen vermag der Senat zum anderen der Auffassung der Antragsgegenerin, für das konsekutive Masterstudium würden die strengen Anforderungen an Kapazitätsbegrenzungen nicht gelten, schon im Ansatz nicht zu folgen. Da es sich – auch nach Ansicht der Antragsgegnerin – beim Master BWL um einen berufsqualifizierenden Abschluss handelt, unterstellt diese Auffassung, dass der hohe Schutz- und Förderanspruch durch Erlangung des ersten berufsqualifizierenden Hochschulabschlusses verbraucht ist. Dagegen spricht jedoch, dass erst der Abschluss des konsekutiven Masterstudiums den Zugang zu wissenschaftlich ausgerichteten betriebswirtschaftlichen Berufen eröffnet. Für die mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG zu stellenden Anforderungen an eine Einschränkung der Freiheit der Berufswahl macht es keinen Unterschied, ob die berufliche Qualifikation aufgrund eines einheitlichen Studiengangs mit einer Zwischenprüfung oder auf der Grundlage eines zweigeteilten Studiengangs mit einem Zwischenabschluss erworben wird. Die mit einer Kapazitätsbeschränkung verbundene Eingriffsintensität bleibt die gleiche.
§ Das weitere Argument der Beschwerde, die Mindestnote verliere ihre Eigenschaft als Merkmal der Qualitätssicherung nicht durch ihre Koppelung an die Auslastung der vorhandenen Studienplätze, ist unschlüssig. Auch der „numerus clausus“ verliert seine Eigenschaft als Zulassungsbeschränkung nicht dadurch, dass der Grad der Qualifikation (Abiturdurchschnittsnote) für die Zulassung zu einem Hochschulstudium entscheidend ist. Vielmehr gebietet es Art. 12 Abs. 1 GG, bei Studienplatzbeschränkungen bestimmte Eignungsvoraussetzungen, wie etwa die Abschlussnote eines vorangegangenen Ausbildungsabschlusses, in die Auswahlkriterien einzubeziehen.
§ Ebenso fehl geht der Hinweis auf das sich an das Erreichen der Mindestnote anschließende Auswahlverfahren. Gerade weil der Studienbewerber in das Auswahlverfahren gar nicht erst einbezogen wird, wenn er die Mindestnote nicht erreicht, stellt sich die von der Auslastung der vorhandenen Studienplätze abhängige Mindestnote als absolutes Zulassungshindernis dar. Die übrigen Zugangsanforderungen, wie die fachliche Entsprechung des abgeschlossenen Bachelorstudiums oder die nachzuweisenden Englischkenntnisse, spielen als nicht kapazitätsabhängig in diesem Zusammenhang keine Rolle, so dass die Frage, ob diese Anforderungen von dem Mangel der fehlenden Ermächtigungsgrundlage erfasst sind, offen bleiben kann.