Anforderungen an ein Rügeverfahren gegen Prüfungsbewertungen

Alle Studierenden haben das Recht auf Überprüfung der Bewertung aller ihrer Prüfungsleistungen.
Immer häufiger kommt es zu Konflikten bei der Bewertung von einzelnen Prüfungsleistungen. Dabei handelt es sich sowohl um die Prüfungen in den einzelnen Modulen als auch um Abschlussprüfungen (Bachelor/Master, Staatsexamen etc.). Grundsätzlich muss festgehalten werden, dass auch im Bachelor-/Mastersystem jede einzelne Prüfung durch Studierende überprüft werden kann.

Dabei hat sich in der Rechtssprechung der einzelnen Bundesländer heraus kristallisiert, dass bei einer negativen Prüfungsbewertung, die also auf ein Nichtbestehen hinausläuft, im Grunde genommen eine 1-Jahresfrist zur Überprüfung, ggf. nach einem Widerspruchsverfahren auch vor Gericht! eingeräumt wird.

Soweit es sich um eine Überprüfung hinsichtlich einer Notenverbesserung handelt, ist Voraussetzung für ein gerichtliches Verfahren, dass die Note des jeweiligen Moduls bzw. der jeweiligen Prüfungsarbeit, wenn sie denn tatsächlich verbessert werden sollte, auch zu einer Verbesserung des Gesamtergebnisses führt.

Das hat zur Folge, dass bei Prüfungsverfahren, bei denen eine Verbesserung möglich sein könnte, gegenüber der jeweiligen Hochschule zwingend geltend gemacht werden muss, dass die jeweilige Arbeit nebst Musterlösung etc. nicht nur zum Zwecke eines Gegendarstellungsverfahrens zur Verfügung gestellt werden muss, sondern auch bis zum Abschluss des Studiums zwingend aufzubewahren ist, weil ja erst dann ggf. überhaupt eine gerichtliche Überprüfung möglich wird.

Auch wenn immer wieder Zweifel auftauchen, es handelt sich bei den Prüfungen an staatlichen Hochschulen und staatlich anerkannten Hochschulen um verwaltungsrechtlich überprüfbare Vorgänge. Die Art und Weise und der Umfang der Überprüfung sind nicht zu unterschätzen.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg hat in einem anhängigen Prüfungsverfahren (OVG 10 B 7.14 vom 18.11.2014) einen umfangreichen allgemeinen Hinweis erteilt, in welchem die besonderen Anforderungen an Rügeverfahren noch einmal konkretisiert wurden. Der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgend (zuletzt BVerwG Beschluss vom 09. Oktober 2012 Az. 6B 39.12) rechtfertigte es diese Anforderungen mit dem Zweck des Überprüfungsverfahrens, welches darauf ziele, das Grundrecht der Berufsfreiheit der/des Geprüften effektiv zu schützen. Das Gericht wies darauf hin, dass ein Rügeverfahren (auch Überdenkungs-, Gegenvorstellungs-, Remonstrationsverfahren) nur dann ordnungsgemäß durchgeführt ist, wenn:

die Prüfer/innen ihre ursprüngliche Bewertung hinreichend nachvollziehbar begründen,
die/der Geprüfte die Prüfungsakten einschließlich der Korrekturbemerkungen der Prüfer/innen einsehen konnte, die von der/dem Geprüften erhobenen inhaltlichen und auf die Korrektur bezogenen substantiierten Einwände den beteiligten Prüfer/innen zugeleitet werden. Die Prüfer/innen sich mit den Einwänden der/des Geprüften auseinandersetzen und – soweit sie diese für berechtigt halten ihre Bewertung der betroffenen Prüfungsleistung im Hinblick auf die geltend gemachten Beanstandungen korrigieren, sowie schließlich auf der (nun möglicherweise veränderten) Grundlage dieser Korrekturen über das Gesamtergebnis der Prüfungsleistung neu entschieden wird.
Für den Fall, dass an der Prüfung mehrere Prüfer/innen mitwirken, ergeben sich für die Überprüfung noch weitere Anforderungen. Hierbei muss gewährleistet sein, dass

die Prüfer/innen ihre ursprüngliche Bewertung eigenständig und unabhängig voneinander vorgenommen haben. Dies ist schriftlich zu dokumentieren bzw zu begründen und
auch die Auseinandersetzung mit den Einwendungen der/des Geprüften sowie die Korrektur der Gesamtbewertung eigenständig und unabhängig erfolgt und jeweils schriftlich dargelegt wird. Damit stellt das Gericht klar, dass es sich bei Gesetzen, welche die Mitwirkung von zwei Prüfer/innen vorschreiben, was insbesondere bei Studienabschlussprüfungen (z.B. §33 Abs. 1 Satz BerlHG) oder letztmaligen Prüfungsversuchen (z.B. §33 Abs. 1 Satz 4 BerlHG) der Fall ist, nicht um eine Formalie handelt. Vielmehr soll das Hinzuziehen weiterer Prüfer/innen die Objektivität der Beurteilung erhöhen. Dieser objektivitätssteigernde Effekt würde zu einem erheblichen Teil wieder zunichte gemacht, wenn sich die Prüfer/innen vor Abschluss der Bewertung austauschen. In der Praxis wird leider gerade diese Anforderung oft vergessen und damit selten beachtet. Insbesondere genügt es nicht den Anforderungen wenn die/der Zweitkorrektor/in sich der ersten Bewertung lediglich anschließt. Auch gemeinsam entwickelte Formulierungen sind sowohl für die ursprüngliche Bewertung als auch für die Bewertung der Gegenvorstellung unzureichend.

Zusammengefasst heißt das für Geprüfte folgendes:
Immer Einblick in die Prüfungsakte nehmen und vor allem die Korrekturhinweise und Gutachten der Korrektor/innen verlangen. In der Gegenvorstellung bzw. der Remonstration, insbesondere auf die schriftlichen Korrekturanmerkungen und/oder die gutachterlichen Ausführungen der Korrektor/innen eingehen bzw. darauf, dass tatsächlich vorgetragene Punkte nicht berücksichtigt wurden. Im Klageverfahren kann ein Anspruch auf Neubewertung der Prüfungsleistung durch eine/n unabhängige/n Korrektor/in geltend gemacht werden, wenn die Bewertung augenscheinlich nicht unabhängig voneinander erfolgt ist.