Kein Verlust des Anspruchs auf Kapazitätsüberprüfung bei Möglichkeit NC-freier Immatrikulation an anderem Studienort
Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 16. September 2008 (Az. 81/08, 81 A/08)

Tenor

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. März 2008 – OVG 5 NC 125.07 – verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Rechten aus Art. 15 Abs. 4 Satz 1 und Art. 17 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung von Berlin. Er wird aufgehoben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.
Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

Das Land Berlin hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Aus lagen zu erstatten.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin bewarb sich zum Wintersemester 2007/2008 an der Freien Universität Berlin (nachfolgend: Beteiligte zu 2) um einen Studienplatz im Bachelor-Studiengang Geschichte verbunden mit den Modulangeboten Kunstgeschichte sowie Publizistik- und Kommunikationswissenschaften. Darüber hinaus beantragte sie die Zulassung für diese Kombination außerhalb der von der Beteiligten zu 2 festgelegten Kapazität. Mit Bescheid vom 8. Oktober 2007 lehnte die Beteiligte zu 2 die Zulassung der Beschwerdeführerin mit der Begründung ab, die vorhandenen 90 Studienplätze seien nach Wartezeit und Durchschnittsnote an rangbessere Bewerber vergeben worden; weitere Plätze stünden nicht zur Verfügung.

Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung – gerichtet auf vorläufige Zulassung zum Studium der Geschichte (Bachelor of Arts) – blieb vor dem Verwaltungsgericht Berlin ohne Erfolg. Ihre dagegen gerichtete Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 19. März 2008 zurück und führte dazu aus: Der Erlass der einstweiligen Anordnung sei nicht geboten, um wesentliche Nachteile für die Beschwerdeführerin abzuwenden. Sie habe sich an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald immatrikulieren können, da der Studiengang Geschichte (Bachelor of Arts) dort im Wintersemester 2007/2008 nicht zulassungsbeschränkt gewesen sei. Zudem sei der Studiengang an den Universitäten Bamberg, Braunschweig, Bremen, Düsseldorf, Jena, Kassel, Saarbrücken, Siegen, Vechta, Erlangen, Nürnberg, Stuttgart, Regensburg und Darmstadt zulassungsfrei angeboten worden. Es bestehe kein Bedürfnis, die Notzuständigkeit der gerichtlichen Kapazitätsprüfung und Verteilung etwaiger ungenutzter Studienplätze zur Gewährleistung der Freiheit der Hochschul- bzw. Studienortwahl in Anspruch zu nehmen, wenn an anderen Hochschulen ein vergleichbares Studienangebot ohne Zulassungsbeschränkung zur Verfügung stehe. Der Studienbewerber stehe insoweit nicht anders als ein Hochschulortswechsler, der nach allgemeiner Auffassung wegen des bereits verwirklichten Teilhaberechts darauf verwiesen werden könne, seinen Ortswunsch innerhalb des ordentlichen Vergabeverfahrens nach Maßgabe der normierten Zulassungszahlen durchzusetzen. Dafür, dass es der Beschwerdeführerin nicht zuzumuten gewesen wäre, sich an einer der genannten Universitäten zu immatrikulieren, sei nichts ersichtlich. Der Status der Beteiligten zu 2 als Eliteuniversität könne angesichts des übergeordneten Interesses an einer gleichmäßigen Auslastung der Hochschulen für sich genommen kein Teilhaberecht aus Art. 12 Abs. 1 GG begründen.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Rechts auf effektiven Rechtsschutz sowie auf freie Wahl der Ausbildungsstätte und des Berufs. Das Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte dürfe nur eingeschränkt werden, soweit alle Ausbildungskapazitäten erschöpft seien. Es laufe leer, wenn im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren mit Rücksicht auf die Möglichkeit einer Studienaufnahme an einem anderen Ort offen bleibe, ob die von dem Studienbewerber gewählte Universität ihre Kapazitäten ausgeschöpft habe. Vorliegend sei nicht ansatzweise festgestellt worden, worauf sich die Festsetzung auf lediglich 90 Studienplätze im Kernfach Geschichte gründe. Eine Hauptsacheentscheidung sei innerhalb der Regelstudienzeit von sechs Semestern nicht zu erwarten. Ferner beantragt die Beschwerdeführerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, an der Beteiligten zu 2 zum Wintersemester 2007/2008 vorläufig zum Studium im angestrebten Studiengang zugelassen zu werden.

Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Beteiligte zu 2 hält die Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität für unzulässig. Die Beschwerdeführerin müsse ihre Rechte zunächst im verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren verfolgen. Hierdurch drohten ihr keine schweren Nachteile, da sie für das kommende Wintersemester nach wie vor einen zulassungsfreien Studienplatz für die reguläre Aufnahme eines Universitätsstudiums erhalten könne, welches im Kern ihren Vorstellungen entspreche. Zudem könne die Beschwerdeführerin ihr Ziel, einen Studienplatz an der Freien Universität Berlin zu erhalten, im verwaltungsrechtlichen Eilverfahren ohnehin nicht erreichen. Es liege nämlich außerhalb jeder Realität anzunehmen, dass eine summarische Überprüfung der kapazitätsbestimmenden Faktoren zu einer so hohen Zahl zusätzlich verfügbarer Studienplätze führe, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem schlechten Rang noch einen der sich etwa ergebenden zusätzlichen Plätze bekommen könne. Jedenfalls sei es verfassungsrechtlich unbedenklich, dass die Fachgerichte die Beschwerdeführerin auf die Möglichkeit verwiesen hätten, ihr Studium an einer anderen, nicht zulassungsbeschränkten Universität aufzunehmen.

II.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere ist der Rechtsweg im Sinne von § 49 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG erschöpft. Das vorläufige Rechtsschutzverfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung bildet gegenüber dem Hauptsacheverfahren einen eigenständigen Rechtsweg, so dass auch letztinstanzliche Entscheidungen in Eilsachen grundsätzlich mit der Verfassungsbeschwerde angefochten werden können (vgl. Beschluss vom 29. August 2001 – VerfGH 115/00 – GE 2001, 1332 <1333>; zum Bundesrecht: BVerfGK 4, 36 <39>). Der Grundsatz der Subsidiarität erfordert es allerdings, nicht nur den Rechtsweg auszuschöpfen, sondern alle zumutbaren prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern. Hierzu zählt auch die Durchführung des fachgerichtlichen Hauptsacheverfahrens, wenn dieses geeignet ist, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen (Beschluss vom 16. Dezember 1993 – VerfGH 104/93 – LVerfGE 1, 199 <201>; zum Bundesrecht: BVerfG a. a. O.). Daran fehlt es jedoch, wenn der geltend gemachte Grundrechtsverstoß – wie hier – gerade auf der Versagung von Eilrechtsschutz beruht (vgl. Beschluss vom 1. November 2007 – VerfGH 103/07 – InfAuslR 2008, 68; zum Bundesrecht: BVerfGE 35, 382 <397 f.>).

2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Der angefochtene Beschluss verletzt die Grundrechte der Beschwerdeführerin auf freie Wahl der Ausbildungsstätte und auf effektiven Rechtsschutz.

a) Art. 17 der Verfassung von Berlin – VvB –, dessen Regelung ebenso wie Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG alle Aspekte der Berufsfreiheit umfasst (Beschluss vom 28. Juni 2001 – VerfGH 100/00 – LVerfGE 12, 15 <22 f.>), und Art. 20 Abs. 1 Satz 2 VvB, wonach das Land jedem Menschen den Zugang zu den öffentlichen Bildungseinrichtungen ermöglicht, gewährleisten landesverfassungrechtlich die freie Wahl der Ausbildungsstätte in gleichem Umfang wie Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG. Dazu gehört auch die Freiheit, zwischen verschiedenen Universitäten – und damit auch den Studienort – wählen zu können (vgl. BVerfGE 33, 303 <329>; BVerwGE 102, 142 <146>; VGH München, NVwZ-RR 2004, 35).

Aus Art. 15 Abs. 4 Satz 1 VvB, der nicht nur die Möglichkeit, die Gerichte anzurufen garantiert, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes verbürgt (Beschluss vom 17. Juni 1996 – VerfGH 40 A/96 – LVerfGE 4, 76 <78>), ergeben sich besondere Anforderungen für die Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Regelungen über den vorläufigen Rechtsschutz. Art. 15 Abs. 4 Satz 1 VvB gebietet jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn andernfalls schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht in der Lage wäre. In Fällen einer drohenden, erheblichen und nicht wiedergutzumachenden Verletzung von Grundrechten ist erforderlichenfalls schon im vorläufigen Rechtsschutzverfahren der in der Hauptsache geltend gemachte Anspruch tatsächlich und rechtlich eingehend zu prüfen (vgl. für das Bundesrecht: BVerfGE 94, 166 <216>; BVerfG, NJW 1995, 950 <951>).

b) Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Die Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, aus dem Wunsch eines Studienbewerbers, die Hochschule bzw. den Studienort frei zu wählen, folge kein verfassungsrechtlich anzuerkennendes Bedürfnis für eine gerichtliche Kapazitätsüberprüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, verkennt die verfassungsrechtliche Bedeutung des Rechtsschutzbegehrens der Beschwerdeführerin und die Anforderungen an die Gewährung effektiven vorläufigen Rechtsschutzes.

aa) Art. 17 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Satz 2 VvB gewährt nicht nur das Recht auf Teilhabe an Ausbildungskapazitäten, sondern – wie ausgeführt – auch das Recht auf Wahl der konkreten Ausbildungsstätte, d.h. gerade auch einer bestimmten Universität, die den angestrebten Studienplatz zur Verfügung stellt. Das Recht auf freie Wahl des Studienorts und der Studieneinrichtung wird nicht, wie das Oberverwaltungsgericht in Bezug auf den vorläufigen Rechtsschutz meint, durch die Möglichkeit der Immatrikulation an einer anderen Hochschule gleichsam verbraucht. Diese Auffassung ist mit dem Schutzgehalt der Grundrechte auf freie Wahl der Ausbildungsstätte und auf effektiven Rechtsschutz unvereinbar. Ob dem ursprünglich sogar im Vordergrund stehenden Schutz der freien Wahl der einzelnen Ausbildungsstätte mittlerweile gegenüber dem Gesichtspunkt der Fachpräferenz nur noch nachrangige Bedeutung beizumessen ist, wie das Oberverwaltungsgericht meint, erscheint jedenfalls angesichts der von der Beschwerdeführerin hervorgehobenen aktuellen Entwicklung, die sich mit dem Stichwort „Eliteuniversitäten“ verbindet, auch in tatsächlicher Hinsicht mindestens zweifelhaft. Aus verfassungsrechtlicher Sicht besteht kein Anlass, den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Wahl der Ausbildungsstätte neu zu bestimmen und so einzuengen, dass er die freie Orts- und Hochschulwahl im Rahmen der Teilhabe an staatlichen Ausbildungseinrichtungen nicht mehr umfasst.

Das Grundrecht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte steht zwar unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann; es ist daher auf gesetzlicher Grundlage regelbar und einschränkbar. Zulassungsbeschränkungen kommen allerdings erst in Betracht, wenn die zur Verfügung stehenden Ausbildungskapazitäten erschöpft sind. Maßnahmen der Bewerberauswahl lassen sich daher verfassungsrechtlich nur und erst dann rechtfertigen, wenn die vorrangige Aktivierung sämtlicher Ausbildungskapazitäten gewährleistet ist (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 43, 291 <314>; 59, 172 <205>). Dies gilt auch für Studiengänge, die an anderen Universitäten ohne Zulassungsbeschränkungen angeboten werden. Andernfalls könnten sich die Universitäten durch den Verweis auf freie Plätze an anderen Universitäten der Verpflichtung entziehen, Studenten bis zur vollen Ausschöpfung ihrer – mit öffentlichen Mitteln geschaffenen – Kapazitäten aufzunehmen.

bb) Angesichts der Möglichkeit, den Hochschulzugang normativ zu beschränken, erfordert ein effektiver Schutz des Grundrechts auf freie Wahl der Ausbildungsstätte eine gerichtliche Kontrolle dieser Beschränkungen (vgl. für das Bundesrecht: BVerfGE 85, 36 <60>). Dabei kann die Gewährung effektiven Rechtsschutzes eine solche Überprüfung bereits im Eilverfahren erfordern, wenn andernfalls erhebliche, durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr behebbare Nachteile für den Bewerber drohen (vgl. BVerfGK 3, 135 <140>).

Solche Nachteile drohen hier unabhängig davon, ob mehrere andere Universitäten den Bachelor-Studiengang Geschichte in jeder denkbaren und damit auch in der von der Beschwerdeführerin angestrebten Kombination ohne Zulassungsbeschränkungen anbieten. Zwar hat die Versagung von einstweiligem Rechtsschutz nicht zur Folge, dass die Beschwerdeführerin das gewünschte Studium überhaupt nicht aufnehmen kann. Sie führt aber dazu, dass das verfassungsrechtlich ebenfalls geschützte Recht auf freie Wahl des Studienortes und der einzelnen Hochschule praktisch leerläuft. Bei einer Regelstudienzeit von sechs Semestern (§ 3 der Prüfungsordnung für den Bachelorstudiengang, das 60- und das 30-Leistungspunkte-Modulangebot Geschichte vom 19. Juli und 9. Oktober 2006, FU-Mitteilungen 78/2006, 18) ist nicht auszuschließen, dass das Hauptsacheverfahren erst zu einem Zeitpunkt rechtskräftig abgeschlossen sein wird, zu dem die Beschwerdeführerin ein andernorts aufgenommenes Studium vollständig oder zumindest in wesentlichen Teilen abgeschlossen hätte. Eine ihr günstige Entscheidung käme also zu spät. Damit wäre ihr Grundrecht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte nicht nur in einem Randbereich verletzt, sondern in Bezug auf die Wahl einer bestimmten Universität (der Beteiligten zu 2) endgültig vereitelt. Entschiede sich die Beschwerdeführerin dafür, den Beginn ihres Studiums bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens hinauszuschieben, entstünde ebenfalls ein unzumutbarer Nachteil in Form eines erheblichen und unwiederbringlichen Zeitverlustes bei der Berufsausbildung.

Beide Folgen sind derart gravierend, dass sich das Oberverwaltungsgericht nicht unter Berufung auf fehlende schwere Nachteile für die Beschwerdeführerin einer Kapazitätsprüfung vollständig entziehen durfte. Vielmehr war eine im Hinblick auf die drohenden irreparablen Folgen ausnahmsweise nicht nur summarische, sondern eingehende – derjenigen im Hauptsacheverfahren soweit als möglich nahekommende – Prüfung der Sach- und Rechtslage und damit eine Kontrolle der für den Studiengang Geschichte durch die Beteiligte zu 2 festgelegten Kapazitäten bereits im Eilverfahren erforderlich (vgl. für das Bundesrecht: BVerfGK 3, 135 <140 f.>). Für den Fall, dass eine solche Prüfung mit der notwendigen Intensität in angemessener Zeit im Eilverfahren nicht zu bewältigen gewesen sein sollte, hätte das Oberverwaltungsgericht zur Gewährung zeitnahen effektiven Rechtsschutzes auch eine Folgen- und Interessenabwägung zugrundelegen können.

Die von der Beteiligten zu 2 hervorgehobene ungünstige Rangziffer der Beschwerdeführerin ändert hieran nichts. Stellt sich auf den Eilantrag eines abgelehnten Bewerbers heraus, dass an einer Hochschule die Kapazitäten nicht erschöpft und noch unbesetzte Studienplätze vorhanden sind, steht dessen Antrag auf (vorläufige) Zuweisung eines solchen Studienplatzes nicht entgegen, dass er diesen Platz bei ordnungsgemäßer Einbeziehung in das normale Vergabeverfahren wegen seiner ungünstigen Rangziffer nicht hätte beanspruchen können. Denn es ist sinnlos, Studienplätze für Bewerber offen zu halten, die den Ablehnungsbescheid hingenommen und sich damit eines durchsetzbaren Anspruchs auf einen dieser Plätze begeben haben. Besteht die Alternative darin, einen freien Studienplatz entweder dem Kläger zuzusprechen oder aber ungenutzt zu lassen, gebührt dem Teilhaberecht des Klägers aus Art. 17 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Satz 2 VvB der Vorrang (vgl. für das Bundesrecht: BVerfGE 39, 258 <271>; 39, 276 <293>; 43, 34 <44>).

3. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Eilantrag der Beschwerdeführerin an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

Der Verfassungsgerichtshof weist für das weitere Verfahren darauf hin, dass auch der Einwand der Beteiligten zu 2, von dem Erlass einer einstweiligen Anordnung seien erhebliche Vorbildfolgen zu erwarten, weil befürchtet werden müsse, dass abgelehnte Studienbewerber „in Scharen“ versuchten, ohne Zulassung ihr Studium zu betreiben in der Hoffnung, in einem späteren verwaltungs- oder verfassungsrechtlichen Verfahren zu einer „Legalisierung“ zu kommen, die Unterlassung einer Kapazitätsüberprüfung nicht rechtfertigen kann. Das Oberverwaltungsgericht hat ferner im Fall der Stattgabe des Antrags zu berücksichtigen, dass eine rückwirkende vorläufige Zulassung der Beschwerdeführerin bereits ab dem Wintersemester 2007/2008 in Betracht kommt, da der Antrag auf Zulassung zum Studium und der Antrag auf Eilrechtsschutz für dieses Semester rechtzeitig gestellt waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.

Mit dieser Entscheidung ist das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof abgeschlossen.

Bemerkungen

Vorverfahren:
OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat, Beschluss v. 19.03. 2008, Az: 5 NC 125.07, VG Berlin VG 3 A 566.07

Nachgang:
zurück an das OVG (Az: 5 NC 221.08)

Ablehnend:

VG Münster Beschluss v. 12.03.2009 (Az: 9 L 45/09)

Bestätigend:

VG Bremen, Beschluss v. 29.09.2009 (Az. 6 V 1163/09)